Chris Lohner ist seit 2001 Goodwill Ambassador von Licht für die Welt und hat mit ihrem unermüdlichen Einsatz Tausenden von blinden Menschen und ihren Familien in Entwicklungsländern eine neue und selbstbestimmte Zukunft ermöglicht.
Chris Lohner
Goodwill Ambassador von Licht für die Welt © Inge Prader
Fällt es einem Menschen, der in der Öffentlichkeit steht, leichter, etwas zu verändern?
Wir haben eine andere Verantwortung. Wenn man öffentlich ist, kann man mehr bewegen, als wenn man anonym ist und einfach „nur“ einen Erlagschein zur Post trägt, um was zu spenden. Man kann als öffentlicher Mensch auch viel mehr Menschen bewegen. Weil man eben in den Medien vertreten ist, Interviews macht und darüber reden kann. Das fällt einem als öffentliche Person natürlich leichter und das gehört auch genutzt.
Was bewirken Sie gemeinsam mit Licht für die Welt?
Es geht in erster Linie um den Grauen Star. So hat das Ganze angefangen. Menschen leiden am Grauen Star, doch bevor sie komplett erblinden, kann man das operieren – in Afrika für 30 Euro! Für hiesige Verhältnisse unvorstellbar. Seit 18 Jahren fahre ich nun nach Afrika und Südamerika. In diesen Ländern ist es lebenswichtig, sein Augenlicht zu behalten.
Blinde in Afrika können in ihrem Dorf verschiedene Aufgaben nicht mehr erfüllen, wie z.B. Wasser holen oder Holz sammeln oder Ziegen hüten oder auf die Kinder aufpassen – plötzlich sind sie am Rande der Gesellschaft und damit zum Betteln verurteilt. Sie sitzen irgendwo am Straßenrand, verhungern entweder, werden ermordet oder von den Hyänen zerrissen.
Was waren Ihre Eindrücke auf Ihre ersten Reisen zurückblicken?
Ich bin ja immer in der Weltgeschichte unterwegs gewesen, auch vor der Zusammenarbeit mit Licht für die Welt, war ich im Jemen unterwegs, wo die Menschen in schwerer Armut leben. Bei meiner ersten Reise nach Äthiopien wusste ich dementsprechend, was mich erwarten könnte, dennoch war ich erstaunt: wir sind in ein Dorf gekommen, wo die Menschen zwar bunt angezogen und fröhlich waren, aber als wir mit unserem Fahrzeug näherkamen, hat man gesehen, dass jeder irgendwas an den Augen hat, sogar die kleinen Kinder hatten schon den Grauen Star. Ich habe wie gesagt, bereits viel Armut gesehen – aber das war massiv und hat mich sehr getroffen.
Warum sind die Menschen in Afrika so viel häufiger vom Grauen Star betroffen?
Vitaminmangel, schon in der Kindheit. Mit einer Vitamin-A-Tablette im Alte von fünf bis sieben Jahren, kann man sehr viel verbessern, denn da wächst das Auge. Es ist die Umwelt, es ist die Ernährung, es ist die Sonne. Es ist eine ganze Summe von Dingen. Ich selbst bin ja am Grauen Star operiert worden, schon mit 45. Bei mir waren es die Scheinwerfer.
Ihr Beitrag für „Licht für die Welt“ geht weit über Geldspenden hinaus: Sie sind auch regelmäßig vor Ort tätig. Mit welchen Gegebenheiten sind Sie konfrontiert?
Wir sind vorrangig in den Bergen unterwegs, wo Menschen leben, die die Stadt noch nie gesehen haben. Im Ort gibt es immer einen, der ein Radio hat. Der hört dann, das wieder jemand kommt, den Grauen Star zu operieren auf einem alten aufgelassenen Postamt oder in irgendeinem Gebäude, wo dann jemand mit dem Fahrrad tritt, damit es ein Licht gibt bei den OPs. Ich hab dann immer Stirnlampen mitgebracht, weil unter Umständen operiert wird, die man sich hier nicht vorstellen kann.
Wer führt die Augenoperationen durch?
Die Augenärzte sind die Einheimischen. Wir greifen nichts an, denn die Nachhaltigkeit ist natürlich sehr wichtig. Es gibt auch Augenschwestern und -brüder: Krankenschwestern, die ausgebildet sind, am Grauen Star zu operieren, da es zu wenig Augenärzte gibt.
In einem Land wie Äthiopien, das so groß ist wie Deutschland und Frankreich zusammen, gibt es vielleicht zehn Augenärzte. Ich war voriges Jahr in Mosambik, da geht ein Sohn mit seinem Vater am Rücken, weil er kein Geld hat für den Bus, eine ganze Woche bis zum Augencamp. Das ist hier nicht vorstellbar.
Wie kommt man zu den Leuten die Hilfe brauchen? Wie findet man sie?
Wir haben überall einheimische Kontaktleute vor Ort. Die machen quasi ein Screening, fragen die Dörfer und schauen was los ist. Auf diesem Weg haben wir z.B. auch die versteckten behinderten Kinder entdeckt und sie mit in unser Programm aufgenommen. Die Leute verstecken behinderte Kinder, weil es in ihrem Glauben eine Bestrafung für irgendeine Untat in ihrem Leben ist. Darum zeigen sie diese Kinder nicht her.
Das ist ein harter Kampf. Ist denn eine nachhaltige Verbesserung bemerkbar?
Absolut! 800.000 Menschen sind schon am Grauen Star operiert. Gerade dieses Gebiet mit den Augen ist auch die lohnendste Aufgabe für einen selbst – denn Helfen ist ja immer rückbezüglich – die Menschen haben das nur noch nicht verinnerlicht. Es ist so viel wert, die Freude zu sehen, wie sie singen und tanzen, wie eine Mutter zum ersten Mal ihr zweijähriges Kind erblickt – da bekommt man bei 40 Grad im Schatten eine Gänsehaut.
Die Aussage: „Das Geld kommt ja nicht wirklich an“ ist Ihnen sicher auch geläufig. Was würden Sie dem entgegnen?
Das Geld kommt auch nicht an, was will man in der Subsahara jemandem Geld geben? Was soll er sich dort kaufen? Nix. Wir schicken kein Geld hinunter. Gar nicht. Wir finanzieren die Operationen am Grauen Star vor Ort inklusive der nötigen Hilfsmittel. Wir brauchen das Geld, um zu helfen!
Seit bald nun 18 Jahren sind Sie die Botschafterin für „Licht für die Welt“. Welche Botschaft möchten Sie unseren LeserInnen mitgeben?
Wir sind nicht allein auf der Welt und es gibt viel zu viele Menschen, denen es wesentlich schlechter geht als uns – vor allem Frauen und Kindern! Das sollte man vielleicht nicht vergessen und daher versuchen zu vermeiden, ständig auf höchstem Niveau zu raunzen. Ich glaube, es ist sehr viel Einfühlungsvermögen verloren gegangen.
Die Menschen sind primär mit sich selbst beschäftigt, mit vermeintlich wesentlichen Dingen. Ich würde mir mehr Empathie wünschen, weniger Rassismus, weniger Menschenverachtung und weniger Zynismus in diesem Land.